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Don. 5. Juni 2003 Neu-Ulmer Zeitung Nr. 128 |
Ergriffenem Schweigen folgt langer Applaus |
"Lobgesang" von Mendelssohn-Bartholdy in Roggenburg |
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Roggenburg |
Den 400. Jahrestag der Erfindung der
Buchdruckerkunst hatte Felix Mendelssohn-Bartholdy anno 1840 zum Anlass
genommen, als Opus 52 seine Sinfonie Nr. 2 in B-Dur, "Lobgesang" zu
komponieren. Dieses selten zu hörende Werk wurde von der Schwäbischen
Chorgemeinschaft und der Neuen Schwäbischen Sinfonie unter Leitung von
Gerhard Fackler in der Klosterkirche zu Roggenburg geboten. |
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Ähnlich wie Beethovens "Neunte" ist Mendelssohns
"Lobgesang" als Sinfonie-Kantate angelegt: Drei Instrumentalsätze führen
hin zu einem "Adagio religioso", das dann die umfangreiche zehnteilige
Kantate für Soli, Chor und Orchester einleitet. Hinter dem Roggenburger
Kreuzaltar war es zwar von den Zuhörern kaum zu sehen, aber es verdient,
erwähnt zu werden. Gerhard Fackler dirigierte das ganze mehr als
einstündige Werk, wie es für ihn seit vielen Jahren bei allen großen
Konzerten selbstverständlich ist, komplett auswendig und konnte sich
somit vollständig auf sein Orchester, den Chor und die Solisten
konzentrieren. Hierdurch entstand eine musikalische Darbietung aus einem
Guss, die - am Rande muss es gesagt werden - einige leere
Bankreihen nicht verdient hatte. Schon die drei Sinfoniesätze
erklangen in mächtiger Erhabenheit: Im Orchester strahlten die
Unisono-Posaunen auf, das Thema vortragend; die Hörner boten den für
Laien so typischen "Mendelssohn-Klang" und sämtliche Register vereinten
sich, von Gerhard Fackler durch klares und mitreißendes Dirigent
animiert, zu ebenso abwechslungsreichem wie klangreinem und dynamischen
blitzsauberem Musizieren. "Alles was Odem hat, lobe den
Herrn!". Dieses Thema, schon im Instrumentalteil vielfarbig
ausgearbeitet, bildete nun den Einsatz für den Chor. Die rund
achtzigköpfige Chorgemeinschaft beeindruckte von Anfang an durch klare
Sprache, geschulten Stimmklang und wie das Orchester durch
bereitwilliges Eingehen auf die Intentionen des Dirigenten. Auch die
relativ große Entfernung zwischen den Ausführenden im Chorraum und der
Hörerschaft im Kirchenschiff konnte dem guten "Ankommen" beim Publikum
keinen Abbruch tun. Seine besonderen Qualitäten konnte der Chor in der
ersten Strophe des Chorals "Nun danket alle Gott" a cappella kundtun;
aber auch im Zusammenwirken mit dem Orchester ließen sich die
Sängerinnen und Sänger zu effektvollem, zum Ende hin wirklich grandiosem
Chorklang anleiten. Der fugierte Schlusschor "Ihr Völker bringet dem
Herrn Ehre und Macht!" und das abschließend wiederholte Thema "Alles was
Odem hat" wurden so zu einem großen Erlebnis in der Klosterkirche.
Ihren besonderen Anteil am Gesamterfolg hatten auch die drei Solisten:
Klaus Donaubauer, Tenor, beeindruckte durch seine rezitativischen
Schilderungen der Menschheit in Not, aber auch durch seine Arie "Er
zählet unser Tränen" und steigerte dies in der Frage "Hüter, ist die
Nacht hin?" zu ergreifender Dramatik. Die Antwort darauf: "Die Nacht ist
vergangen", von der ersten Sopransolistin Brigitte Thoma als strahlende
Erlösung geboten, zählte zu den großen Höhepunkten des Werks. In Sabine
Fackler als zweiter Sopransolistin fand sie eine adäquate Partnerin,
womit vor allem das berühmte Duett "Ich harrete des Herrn" zu einer der
Schlüsselstellen des Konzertes wurde. Robert Schumann wird zu den
Klängen dieses Sopranduetts der Spruch zugeschrieben: "Es war wie der
Blick in einen Himmel Raffaelischer Madonnenaugen", und was er damit
gemeint hatte, konnten die Zuhörer hier akustisch erleben. Nach dem
Maestoso-Schlusschor dokumentierte zunächst ergriffenes Schweigen die
Spannung, mit der die gesamte Darbietung verfolgt worden war, ehe dann
der verdiente anhaltende Applaus ein rundum gelungenes Konzert krönte. |
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Beethovens Neunte fasziniert Zuhörer |
Neue Schwäbische Sinfonie spielt im Zedernsaal |
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Kirchheim |
Beethoven wird als der "Titan" unter den
Komponisten bezeichnet. Zwei Werke sind es, die diese Bezeichnung
rechtfertigen: Die "Missa solemnis", op.123 (1823) und die 9. Sinfonie,
op 125 (1824); letztere stand auf dem Konzertprogramm der "Neuen
Schwäbischen Sinfonie" und der "Schwäbischen Chorgemeinschaft" unter der
Leitung von Kapellmeister Gerhard Fackler. |
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Vorausgeschickt: Es sind durchwegs musikalische
Laien, denen in diesem Orchester durch einen vorzüglichen
Dirigentenprofi und eine engagierte und kompetente Vorstandschaft die
einmalige Gelegenheit gegeben wird, große sinfonische Literatur
einzustudieren und im akustisch vorzüglichen Zedernsaal aufzuführen.
Trotz dieser Aussage muss nun die Aufführung an "Profiaufnahmen"
gemessen werden, schließlich hat nahezu jeder musikalische Interessierte
diese Sinfonie, in die philosophisch so vieles hinein interpretiert
wurde im CD-Schrank. Das Fazit: Die Interpretation ergriff die
zahlreichen Besucher (der Saal war ausverkauft); der außergewöhnlich
lange Schlussbeifall bestätigte dies. Der Kapellmeister aus
Ichenhausen besitzt die außergewöhnliche Gabe, bei all seiner
persönlichen Bescheidenheit und persönlichen Zuwendung, konsequent diese
doch bunt zusammengewürfelte Orchesterschar die größtenteils auch noch
in anderen Formationen spielt zu motivieren und gleichzeitig zu fordern.
Dies ist nur möglich, weil seine musikalische Autorität unbestritten ist
- auch bei der Aufführung dieses hochkomplexen Werkes. Nicht nur, dass
er diese zeitlich ausschweifende Sinfonie mit dem ständigen Umbruch der
"Stimmung" in den einzelnen Sätzen auswendig dirigierte, man spürt sein
genaues Hören auf jede Stimme, deren Einsätze durch Augenkontakt
übermittelt werden. Er artikuliert die Phrasen, Ritardandie,
Rallentandi, Fermaten etc. stumm mit. Er lässt die Spieler in und
zwischen den Sätzen "durchatmen" und nachstimmen. Die
Aufführung fand am Spätnachmittag statt: Sonnenschein, der strahlend den
Zedernsaal ausleuchtete und in dem sonst klimatisch eher kühlen Saal für
einen außergewöhnlich hohen Temperaturanstieg sorgte. Natürlich trugen
die rund 110 Mitwirkenden und 400 Zuhörer das ihrige dazu bei. Obwohl
zwischen den Sätzen nachgestimmt wurde, litt doch die Intonation
darunter. So begann der langsame 3. Satz mit einem wunderschönen
Streicherchoral; doch beim Einsatz der Holzbläser waren Divergenzen
unüberhörbar. Beeindruckend der Finalsatz mit der "Ode an die
Freude". |
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Tongewaltiges aus Opernwelten |
Neue Schwäbische Sinfonie im Zedernsaal - Feurige Carmen,
bewegende Isolde |
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Kirchheim |
"In dem wogenden Schwall, in dem tönenden Schall,
in des Welt Atems wehendem All - ertrinken, versinken - unbewusst -
höchste Lust!" |
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Ein großartiges Programm bot im herrlichen Zedernsaal
auf Schloss Kirchheim die Neue Schwäbische Sinfonie unter der Leitung
von Gerhard Fackler. Zum ersten Mal hatte das Orchester eine reine
Operngala vorbereitet, mit bekannten und anspruchsvollen Stücken von
Weber, Bizet, Borodin und Richard Wagner.
Stimmgewaltig ging es gleich zu Beginn los, mit der dramaturgisch schön
inszenierten Ouvertüre aus dem "Freischütz". Diese symphonische Dichtung
startet mit einer idyllischen Waldhorn-Poesie. Schon dort beeindruckte
der homogene Orchesterklang mit herausragenden solistischen Akzenten der
einzelnen Instrumentalgruppen. Verhalten-wuchtig, raumerfüllend, so
entführt diese Ouvertüre gedanklich in das, was in der eigentlichen Oper
komprimiert ist: in den Kampf zwischen Gut und Böse - von der Sinfonie
meisterlich koloriert und verdient mit dem ersten großen Applaus des
frühen Abends bedacht. Was folgt, war ein Ausflug ins
Stierkämpferland, Georges Bizets "Carmen" (hier: Vorspiele zum 1. bis 4.
Akt) hat, sooft sie auch gespielt wird, immer wieder diese Kraft, die
Zuhörer im Herzen anzusprechen. Feurig, flott und unterstützt von der
phänomenalen Akustik des Saales, kam dieser sympathische "Gassenhauer"
mit dem berühmten Torero-Marsch beginnend daher - den Erfolg dieses
Werkes hat der Komponist selbst leider gar nicht mehr erlebt. Dann: sehr
bewegend und mit Elegie , die sanfte Melodie der Flöte - wunderbar!
Aus der Oper "Fürst Igor" von Alexander Borodin standen sodann die "Polowetzer
Tänze" auf dem Programm. Wild und angenehm ohrenbetäubend ging das
Orchester in die Vollen, und ließ die russische Seele im Geiste
aufleben. Feinfühlig und voluminös verabschiedete sich der Klangkörper
in die Pause. Soeben hatte das Konzertpublikum wieder Glück, denn der
versunkene Schloss-Innenhof war zwischen zwei Gewitterwolken erhellt von
sanfter Abendsonne, in deren Spiegel der kleine Springbrunnen im
Seerosenteich glitzerte. Melancholie heftete sich an dieses Gefühl, denn
im Mittelpunkt des zweiten Teils stand Richard Wagners "Tristan und
Isolde", woraus die Neue Schwäbische Sinfonie das Vorspiel zum ersten
Akt und "Isoldes Liebestod" zelebrierte. Leider war
kurzfristig die Solistin, Karin Griesenbach-Loyée, erkrankt und das Werk
musste ohne Sopranistin auskommen. Nach der fast dem Wesen nach marXXX
Ouvertüre zu Wagners Frühwerk "Rienzi" - voller Charisma die
Blechbläser! - überzeugte das Orchester mit beinahe hypnotischem
Geschick. Wagner war zu Recht stolz auf seine "unendliche Melodie". Sie
bleibt süchtigmachend. |
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